Zerbst/ Anhalt mit Katharina- Denkmal und Schloss – Treffpunkt für Deutsche aus Russland

Zerbst/ Anhalt mit Katharina- Denkmal und Schloss – Treffpunkt für Deutsche aus Russland

von Annegret Mainzer, Zerbst

Im heutigen Zerbst/ Anhalt können Geschichtsinteressierte sich einerseits im Museum der Stadt sowie in den dortigen evangelischen Kirchen über die Reformation informieren und andererseits in der Sammlung Katharina II. und im Schloss auf den Spuren der russischen Zarin Katharina der Großen, einer geborenen Prinzessin von Anhalt-Zerbst, wandeln.

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Am ersten Juliwochenende strömten nun mehr als 200 Deutsche aus Russland, die sich im Bundesland Sachsen-Anhalt niedergelassen haben, busweise nach Zerbst/ Anhalt. Im Rahmen der laufenden Deutsch-Russischen Kulturwoche in Sachsen-Anhalt hatte der Förderverein Deutsche aus Russland Sachsen-Anhalt e.V. mit seiner Vorsitzenden Olga Ebert nach Zerbst/ Anhalt zu einem Vereinsforum „Russlanddeutsche in der neuen Heimat“ eingeladen. Neben der Besichtigung des Zerbster Schlosses und Stadtführungen standen eine Jugendkonferenz sowie ein Gala-Konzert auf der Agenda des ereignisreichen Tages.

Jugendkonferenz „ 20 Jahre Jugendarbeit- 20 Jahre Brückenbau“

Hauptinitiatoren der Jugendkonferenz, die unter dem Motto „20 Jahre Jugendarbeit-20 Jahre Brückenbau“ stand, waren der seit dem Jahr 2008 bestehende Jugend-und Studentenring der Deutschen aus Russland e.V. (JSDR) sowie der Internationale Verband der deutschen Kultur, Russische Förderation (IVDK), der die Interessen von etwa 700 000 Deutschen in Russland wahrnimmt.

Per Video wurde zu Anfang ein an die Konferenzteilnehmer gerichtetes Grußwort des Bundestagsabgeordneten Dr. Christoph Bergner (CDU), ehemals Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.

Im Anschluss daran stellte Julia Iwakin, Vorsitzende des JSDR, die Ziele und Tätigkeitsbereiche dieser Organisation vor, aber auch das bisher Erreichte. Vor allem betonte sie die Internationalität der Arbeit des JSDR, die auf den verschiedenen kommunalen Partnerschaften zwischen deutschen und russischen Städten oder Organisationen beruht. Der JSDR leistet, so Julia Iwakin, ebenfalls politische aufklärungs- und Bildungsarbeit nicht nur für Kinder und Jugendliche, auch für Erwachsene, gibt in Form von thematischen Workshops und Seminaren wertvolle Hilfestellung bei der Integration der Deutschen aus Russland in das gesellschaftliche Leben ihrer neuen Wahlheimat Deutschland. Einen wesentlichen Bestandteil der Arbeit des JSDR bilden die Sommercamps, die sowohl in Deutschland wie auch in Russland für Kinder und Jugendliche durchgeführt werden und zur sprachlichen Förderung der Teilnehmer dienen, so Julia Iwakin.

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Angereist aus Moskau, richtete Katharina Martynova, die beim IDVK in Moskau für förderale Programme verantwortlich ist, ein Grußwort an die Konferenzteilnehmer. In ihren Ausführungen verwies sie ebenfalls darauf, dass der internationale Aspekt ihrer Verbandsarbeit Priorität besitzt. Dabei verwies Katharina Martynova auf die in diesem Frühjahr erfolgte Eröffnung des DeutschRussischen Hauses mit Kultur- und Geschäftszentrum in Omsk sowie auf das Deutsch-Russische Jahr des Jugendaustausches 2016/17. Nach Meinung von Katharina Martynova setze zwar jede mitwirkende Partnerorganisation ihre speziellen Prioritäten, doch die Zusammenarbeit sei für alle unerlässlich.

Julia Iwakin
Julia Iwakin
Katharina Martynova
Katharina Martynova

Danach berichtete Irina Pintschuk, die Koordinatorin der Sprach- und Bildungsprogramme des IDVK, über die Durchführung von Sprachcamps für Kinder und Jugendliche. Die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der ethnokulturellen Sprachlager bedeute für die ca. 170 Mitarbeiter Arbeit rund um das ganze Jahr., ist nicht nur auf den Zeitraum ihrer Durchführung begrenzt. Sie stellte auch den typischen Tagesablauf eines Sprachcamps vor und betonte, dass alle sehr darum bemüht seien, Sprache und Kultur anders als im schulischen Unterricht zu vermitteln. Sport und Kreativität sowie Neugier der Teilnehmer finden hier Eingang bzw. Berücksichtigung im pädagogischen Konzept. Des weiteren zeichnete Irina Pintschuk die verschiedenen Möglichkeiten auf, um am Sprachcamp teilnehmen zu können. Viele langjährige Freundschaften zwischen den Campteilnehmern aus Russland und Deutschland seien auch schon entstanden, so Irina Pintschuk. Videosequenzen mit Aussagen der Campteilnehmer bestätigten das Gesagte.

Gala-Konzert im Katharina-Saal der Zerbster Stadthalle

Am späteren Nachmittag füllte sich der Katharina-Saal der Zerbster Stadthalle, gekommen waren auch Andreas Dittmann, der Zerbster Bürgermesiter, sowie Vorstandsmitglieder des seit 1992 in Zerbst agierenden Internationalen Fördervereins „Katharina II.“ Zerbst e.V.

Begrüßt wurden die Gäste von Olga Ebert, der Vorsitzenden der Fördervereins der Deutschen aus Russland in Sachsen-Anhalt e.V. sowie vom Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann, der sich mit einem Grußwort an die Anwesenden wandte. Er nannte Zerbst/ Anhalt den idealen Kreuzungspunkt für deutsch- russische Begegnungen, gerade in einer Zeit, in der die Regierenden unserer beiden Länder sich sprachlos gegenüberstehen. Des Weiteren nahm er Bezug auf das Motto der Jugendkonferenz „20 Jahre Jugendarbeit- 20 Jahre Brückenbau“ ,denn das Brückenbauen solle doch dazu beitragen, die diesen Zustand der Sprachlosigkeit so schnell wie möglich zu beenden, so das Zerbster Stadtoberhaupt. Viel mehr, mahnte Andreas Dittmann, solle man sich auf das konzentrieren, was Deutsche und Russen jahrhundertelang verband und verbindet, ohne jedoch die Zeit, in der sie sich nicht verstanden, zu vergessen.

Olga Ebert und Andreas Dittmann
Olga Ebert und Andreas Dittmann

Im Anschluss entboten noch Katharina Martynova vom IVDK, Russische Förderation, und Julia Iwakin vom JSDR ihre Grußworte und dankten für die Möglichkeit, im Katharina-Saal der Zerbster Stadthalle diese Veranstaltung durchführen zu können.

Genug der Reden und Konferenzen!“, appellierte Zarin Katharina II., dargestellt von Olga Tidde, Vorstandsmitglied des Internationalen Fördervereins „Katharina II.“ Zerbst e.V. und übernahm souverän die Moderation des angekündigten und lang erwarteten Gala-Konzertes.

Olga Tidde als Katharina II.
Olga Tidde als Katharina II.

Feuerwerk künstlerischer Talente

Das zweistündige Gala-Konzert erwies sich als eine qualitativ hochwertiges Feuerwerk künstlerischer, vorwiegend gesanglicher und tänzerischer Talente, wobei es nicht immer leicht fiel, Profis und Hobbykünstler zu unterscheiden. Deutsches und russisches Kulturgut in Form von Liedern, Tänzen und Märchen von Künstlerinnen und Künstlern jeglichen Alters wurde dargeboten.

Tanzgruppe "Saltatio Burgus"
Tanzgruppe „Saltatio Burgus“
Nathalia Kraubner aus St. Petersburg
Nathalia Kraubner aus St. Petersburg

Die Sängerinnen und Sänger, die Tänzerinnen und Tänzer, die auftraten, leben und arbeiten zurzeit zum größten Teil in Sachsen-Anhalt, u.a. in Magdeburg, Weißenfels, Hettstedt und Halle. Angereist waren aber auch eine Tanzgruppe aus Waren/ Müritz sowie die Sängerin Nathalia Kraubner aus Sankt Petersburg.

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Zu Gehör bekam das Publikum u.a. Ich bete an die Macht der Liebe von D. Bortnjansky, Evergreens wie In der Nacht ist der Mensch nicht gern allein aus dem Film Die Frau meiner Träume sowie bekannte deutsche und russische Volkslieder und auch Songs, von den Sängern selbst geschrieben.

Während die Dessauer Tanzgruppe Saltatio Burgus höfische Tänze der Renaissance und des Frühbarock darbot, zeigte die Tanzgruppe aus Mecklenburg, dass ihr Repertoire Walzer, Reigen und flottere Tänze jüngerer Zeitrechnung umfasst.

Ein Highlight des Gala-Konzertes stellte die Erzählung des von Zarin Katharina II. selbst verfassten Märchens vom Zarejewitsch Chlor dar. Mit angenehmer Stimme und in sicherer freier Rede erzählte die professionell ausgebildete und derzeit in Leipzig lebende Schauspielerin und Tänzerin Mareike Greb von den möglichen Irrwegen im Leben. Mareike Greb präsentierte trotz einiger technischer Probleme ihre Liebe zum historischen Tanz. Auch die elfjährige Sängerin Daniela begeisterte das Publikum mit ihrer Natürlichkeit und ihren Liedern, in denen u.a. die für den kalten russischen Winter unerlässlichen Walenki, d.h. Filzstiefel besungen werden.

Daniela
Daniela
Mareike Greb
Mareike Greb

Des Weiteren präsentierte eine einst in Magadan und Minsk engagierte Sopranistin, die zurzeit in Magdeburg beheimatet ist, musikalische Perlen aus der Welt der leichten Operette, so u.a. die bekannte Arie Mein Herr Marquis der Adele aus Die Fledermaus.

Nach dem zweistündigen Kulturmarathon bekamen alle teilnehmenden Künstler eine Dankesurkunde aus den Händen von Olga Ebert und natürlich fast nicht enden wollenden Applaus sowie Bravo- Rufe aus dem Publikum.

Das Publikum war noch nicht müde und nahm das Angebot der Tanzgruppe Saltatio Burgus wahr, die einen Crash- Workshop in Sachsen Barocktanz anbot. Moderiert wurde dieser eloquent von der Tanz-Expertin Mareike Greb.

Fazit des Tages:

Der erste Julisonnabend 2016 rund um Zerbster Schloss und Zerbster Stadthalle bewies wieder einmal mehr: Deutsche aus Russland sind auf der einen Seite eine wahre Bereicherung für Deutschland und auf der anderen Seite wirkliche Brückenbauer in der Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Deutschen und Russen. Und gerade deshalb hätte ich mir gewünscht, dass mehr einheimische Deutsche im Vorfeld von diesen Veranstaltungen erfahren und somit die Möglichkeit erhalten hätten, diese zu besuchen, gemeinsam mit den Deutschen aus Russland, die vielleicht ganz in ihrer Nachbarschaft wohnen, ins Gespräch zu kommen. Vielleicht ist es den Organisatoren bei einer ihrer kommenden Events möglich, diese offener zu bewerben.

zerbstergazette traf in der Stadthalle die russische Historikerin und Katharina-Biografin Olga Eliseeva
zerbstergazette traf in der Stadthalle die russische Historikerin und Katharina-Biografin Olga Eliseeva

Zerbst, den 03. Juli 2016

 

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