Petra Durst- Benning: 1. Die Zarentochter 2. Die russische Herzogin

Petra Durst- Benning: 1. Die Zarentochter

2. Die russische Herzogin

Die Zarentochter

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Zarenkinder hatten es nicht einfach im Leben, obwohl sie frei von existenziellen Sorgen, sozusagen im goldenen Käfig aufwuchsen.
Anstatt wie andere ihrer Altersgenossen mal ungezwungen und wild durch Wohnung und Garten zu tollen, wurden sie meist dazu angehalten, fleißig zu lernen und sich entsprechend ihrer außergewöhnlichen sozialen Stellung zu benehmen. Zudem wurden Zarenkinder ständig von Lehrern, Erziehern und Gouvernanten beaufsichtigt, so dass ein – wenn auch nur kurzweiliges – Ausbüchsen aus ihrer wohl behüteten Welt kaum möglich war.

Eltern von Zarenkindern saßen oft gefühlsmäßig zwischen zwei Stühlen: Einerseits liebten sie ihren Nachwuchs und wollten ihm eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen, andererseits zwang ihre führende Stellung sie dazu, schon frühzeitig ihre Söhne und Töchter in ihre staatswichtigen Überlegungen und Entscheidungen miteinzubeziehen. Auseinandersetzungen in royalen Familien eskalierten meist dann, wenn die Königskinder sich unstandesgemäß verliebten.

All diese eingangs beschriebenen Phasen durchlebt auch Olly, die Hauptheldin im Roman Die Zarentochter von Petra Durst- Benning.
Olly, das ist Großfürstin Olga Nikolajewna (1822- 1892), die zweitälteste Tochter von Zar Nikolaus I. von Russland. Petra Durst- Benning schildert Olly als eine heranwachsende junge Frau, die ihre Umwelt, ihre Mitmenschen sehr aufmerksam beobachtet und vor allem die im Russischen Reich herrschende soziale Ungerechtigkeit wahrnimmt. Olly muss u.a. hilflos miterleben, dass ihr Spielkamerad Mischa sterben musste, weil es seinen Eltern am Geld für den Azrt mangelte. Dabei hat Mischa den Großfürsten Kosty, Ollys jüngsten Bruder, vor dem Ertrinken gerettet. Jedoch hatten die Erwachsenen im Palast sich nur um Kostys Genesung gekümmert, was für Olly eine schreiende Ungerechtigkeit darstellt.

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Anfangs betrachtet Olly auch das Verhalten ihrer älteren Schwester Mary, die meist nur an schöne Kleider, Bälle und einen passenden Heiratskandidaten denkt, mit verächtlichen Augen. Es ist ihre Gouvernante und spätere Freundin Anna, die Olly die Augen darüber öffnet, welche Möglichkeiten sie als verheiratete Frau hat, den Ärmsten der Armen zu helfen.
So lässt sich die Zarentochter Olly ebenfalls auf das „Heiratskarussell“, das alle russishen Großfürsten und Großfürstinnen durchlaufen müssen, ein.

Auf Betreiben ihres Vaters und ihres Bruders Sascha, später Zar Alexander II., kommt eine imaginäre Verlobung Ollys mit Erzherzog Stephan von Österreich zustande. Während dieser scheinbaren mehrjährigen Verlobungszeit kommt es zu keiner persönlichen Begegnung zwischen Olly und Stephan, da Österreich auf Betreiben von Metternich sich gegen diese Verbindung stellt.

Doch auch an Olly geht der Zauber der ersten großen Liebe nicht vorüber. Ihr Auserwählter ist Iwan Bariatinski, ein Freund ihres Bruders Sascha und russischer Offizier- allerdings kein standesgemäßer Heiratskandidat für Olly, die Zarentochter. Später verliebt sich Olly in Alexander von Hessen, den Bruder ihrer Schwägerin. Doch auch er ist nach Ansicht von Ollys Vater und Bruder nicht der Richtige für sie. Nachdem die ersten euphorischen Liebesschwüre verklungen sind, kommt es auch in dieser Bezihung zu Problemen, doch diese „ Probleme“ werden teilweise von Ollys Bruder Sascha inszeniert. Schlussendlich bricht Olly mit Alexander endgültig.

Nach der Verheiratung ihrer jüngsten Schwester Adini ist Olly zwar immer noch mit Stephan verlobt, aber ohne Aussicht auf baldige Hochzeit. Gemeinsam mit ihrer kränkelnden Mutter reist sie nach Palermo, wo Karl, der Sohn des württembergischen Königs Wilhelm I., ihr seine Aufwartung macht. Olly und Karl unternehmen gemeinsame Ausflüge und stellen in Gesprächen fest, dass sie auf gleicher Wellenlänge liegen, u.a. auch was ihr beider Bedürfnis nach Wohltätigkeit betrifft.

Wird Kronprinz Karl von Württemberg die Zarentochter Olly von ihren Befürchtungen, als alte Jungfer zu enden, erlösen?

Die Historiker kennen die Antwort: Die Zarentochter Olga Nikolajewna heiratet in Peterhof bei St. Petersburg den württembergischen Kronprinzen Karl.

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Bereits ihre Tante Katharina Pawlowna, eine Schwester ihres Vaters, war Königin von Württemberg gewesen und hatte dort viele wohltätige Institutionen ins Leben gerufen. Olly, als württembergische Kronprinzessin und spätere Königin, setzt diese Werke der Barmherzigkeit fort.

Büste Königin Olga- Bad Wildbad
Büste Königin Olga- Bad Wildbad

Petra Durst- Benning schildert die Royals in ihrem Roman Die Zarentochter Olly mit all ihrer Zerrissenheit angesichts ihrer privilegierten sozialen Stellung und der damit verbunden Verantwortung für ihr Land sowie ihrer persönlichen Gefühle und Bedürfnisse, denn gekrönte Häupter sind letztendlich auch nur Menschen wie du und ich.

Im Roman Die Zarentochter steht der Lebensweg von Olly im Mittelpunkt, die auch Russland und das Russische repräsentiert. Die so genannte russische Seele und das wirklich Russische treten im Buch meiner Meinung nach recht oberflächlich, fast stiefmütterlich behandelt und klischeehaft zutage. Russland- das bedeutet nicht nur Tee aus dem Samowar, Schnee, eisiger Winter, absolute Zarenherrschaft und bitterste Armut. An diesen Stellen hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht.

Doch die Stärke des Roman Die Zarentochter liegt darin, dass die Autorin Petra Durst- Benning ihre royalen Heldinnen und Helden mit all ihren menschlichen Schwächen und Stärken sowie Zweifeln und Selbstzweifeln zeichnet. Spitzbübisch humorvoll wird es immer dann, wenn Olly versucht, einen von Bruder oder Vater geschickten Heiratskandidaten zu vergraulen.

Die russische Herzogin

Wer mehr über Ollys Dasein als württembergische Kronprinzessin und spätere Königin erfahren möchte, der sollte Petra Durst- Bennings Romans Die russische Herzogin lesen.

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Die russische Herzogin entpuppt sich als Ollys Nichte und Patenkind Wera Konstantinowna, die als enfant terrible in St. Petersburg gilt und deshalb nach Stuttgart zu Olly geschickt wird. Die Leser erleben, wie Olly und Karl versuchen, aus diesem „schrecklichen Kind“ eine hoffähige junge Dame zu machen.

Vera Konstantinowna von Russland
Vera Konstantinowna von Russland

Olly muss in dieser Zeit sich als auf dreifache Weise als starke Frau erweisen- im Kampf um ihre
wohltätigen Projekte, im Kampf um ihre Ehe und als Mutterersatz und Freundin ihres Patenkindes Wera, der späteren russischen Herzogin.

Hat Olly die Kraft, all die ihr gestellten Aufgaben zu meistern. Gehört sie auch zu den Romanowschen Powerfrauen wie ihre Vorfahren? Wird ihr dabei ihre Devise „ Lachen, um nicht zu weinen“ stets helfen?
Ich wünsche der Leserschaft viel vergnügliche Stunden auf der Suche nach den Antworten.

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http://www.stadtbibliothek-zerbst.de/

„ Russka“- Saga von Edward Rutherfurd – Rezension

„ Russka“– Saga von Edward Rutherfurd – Rezension

Butterwoche, von B. Kustodijew, um 1919
Butterwoche, von B. Kustodijew, um 1919

Der schon oft zitierte Johann Wolfgang von Goethe schrieb in seinen Maximen und Reflexionen: „ Das Beste, was wir von der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erregt.“
Jawohl, begeistert hat mich die Lektüre einer pyramidalen Saga über das Russische Reich, die aus der Feder des zeitgenössischen englischen Historikers und Literaten Edward Rutherfurd stammt.
Schon auf der Umschlagseite des Buches die Verwendung des Gemäldes Butterwoche von Boris Kustodijew (1878- 1927), einem Künstler, der vorwiegend Szenen aus dem Leben in den russischen Provinzen darstellt, beweist nicht nur die Einheit zwischen dem Äußeren und dem Inhalt der im Knaur- Verlag herausgegebenen Sage Russka, sondern verstärkt eher die Wissbegierde des Lesers, etwas Neues über das oft so mystisch verklärte weite Russische Reich zu erfahren.

Rutherfurd beginnt mit seiner Saga Russka im Jahr 180 n. Chr., als die Menschen „in jenem Weiler am Waldrand“, fernab von Zentren der politischen und kulturellen Brennpunkte lebten, die Jahre nach vergangenen Winter zählten, als „die Bewohner selbst nicht hätten erklären können, wo genau sie lebten, sie wussten nur, dass ihr Flüsschen in einen anderen Fluss mündete“.
Ein sehr detailliertes und äußerts lebendiges Bild zeichnet Rutherford vom alltäglichen Leben in der Provinz Russka, und das Schicksal der Familie Bobrov steht dabei stellvertretend für die Auswirkungen von persönlichem Machtstreben der russischen Zaren, deren Befehle und Handlungen nicht selten zwischen extremer Tyrannei, Willkür und Reformversuchen schwankten, auf das Leben der Russen.
Stets befindet sich Rutherfurd neben seinen Russka– Helden, bei ihm ist kein moralisierendes oder belehrendes Verhalten ihnen gegenüber zu verzeichnen. Doch glaubte ich, an manchen Stellen der Russka– Saga schlüpfe Rutherfurd in die Haut seiner Romanfiguren und gerade dadurch erreicht sein Werk ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit. Oft wechselt der Autor seine Kommunikationsverfahren: Erzählen, Schildern, beschreiben, berichten, so bleibt der Leser ständig unter Spannung.

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Vorgestellt: Romane von Eva Stachniak über Zarin Katharina die Große von Russland

Vorgestellt: Romane von Eva Stachniak über Zarin Katharina die Große von Russland

Katharina II. zu Pferde in Uniform der Leibgarde, von V. Eriksen (1722- 1782), um 1762
Katharina II. zu Pferde in Uniform der Leibgarde, von V. Eriksen (1722- 1782), um 1762

Link zur Rezension zum Roman “ Der Winterpalast“  von Eva Stachniak

https://bestsellerliste.wordpress.com/2013/12/15/der-winterpalast-eva-stachniak-rezension/

Zerbster Prinzessin Sophie, später Zarin Katharina II., verlässt Zerbst
Zerbster Prinzessin Sophie, spätere Zarin Katharina II., verlässt Zerbst
Blick auf den Winterpalast
Blick auf den Winterpalast

Link zur Rezension zum Roman “ Die Zarin der Nacht“ von Eva Stachniak

https://bestsellerliste.wordpress.com/2014/03/08/die-zarin-der-nacht-eva-stachniak-rezension/

Grabstätte Katharinas II. in der Peter und Paul Festung in Petersburg
Grabstätte Katharinas II. in der Peter und Paul Festung in Petersburg

Autorin der Rezensionen: Annegret Mainzer, Zerbst

 

 

Die Deutschen, die Russen, die deutsche Sprache und Russland

Die Deutschen, die Russen, die deutsche Sprache und Russland

Sprachenzentrum der Otto - von - Guericke Universität Magdeburg
Sprachenzentrum der Otto – von – Guericke Universität Magdeburg

Spricht man von den engen Beziehungen zwischen Deutschen und Russen, so denkt man an Zar Peter I.(1672- 1725), der deutsche und niederländische Fachleute ins Russische Reich holte, um sein Land an die wirtschaftlichen, technischen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklungen Westeuropas anzupassen. Im gleichen Atemzug wird die aus dem Fürstentum Anhalt – Zerbst stammende Zarin Katharina II. (1729- 1796) genannt, denn kurze Zeit nach ihrer Thronbesteigung erließ sie ein Manifest, dass die Menschen in Westeuropa dazu aufforderte, sich im Russischen Reich niederzulassen. Vor allem auf ihre deutschen Landsleute hoffend, wollte die Zarin Russland europäisieren, dabei die von Russland eroberten, jedoch bis dato unwirtlichen Gebiete im Süden des Landes bewirtschaften, urbanisieren und nach außen absichern lassen. Weiterlesen

Konnektionen zwischen Anhalt und Russland

Von interessanten Konnektionen zwischen Anhalt und Russland

Spricht man von den Beziehungen zwischen Anhalt und Russland, denkt man zuerst an Zarin Katharina II. von Russland, eine geborene Prinzessin von Anhalt – Zerbst, die 1744 zum russisch-orthodoxen Glauben konvertierte, 1745 mit dem russischen Thronfolger vermählt wurde und im Jahre 1762 selbst den Thron Russlands bestieg. Mehr als drei Jahrzehnte regierte sie das Russische Reich und darüber, dass sich Russland während ihrer Regierungsjahre zu einer europäischen Macht entwickelte, sind sich heute viele Russen einig, deshalb bleibt sie in Russland unvergessen.
Würde man jedoch ein Buch über die matrimonialen, personellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Anhalt schreiben, muss man noch einige Kapitel hinzufügen, die allerdings weniger bekannt, aber nicht minder interessant sind. Diese etwas ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und dabei auch die internationale Rolle Anhalts hervorzuheben, soll Anliegen des vorliegenden Beitrags sein. Weiterlesen