Was verbindet Anhalt und die estnische Stadt Võru?

Was verbindet Anhalt und die estnische Stadt Võru?

Annegret Mainzer, Zerbst

Die russische Krone erwarb im Jahr 1784 das Gut Werrohof, gelegen im Südosten des heutigen Estlands, das von 1710-1918 zum Russischen Reich gehörte.

Die russische Zarin Katharina II. (1729-1796), eine geborene Prinzessin von Anhalt-Zerbst, ordnete ihrerzeit persönlich an, rund um das Gut Werrohof eine neue Stadt anzulegen. Nach 1784 bestätigte sie das Stadtwappen und im darauffolgenden Jahr den Bebauungsplan dieser neuen Stadt, die bis 1917 Werro genannt und zur Kreisstadt bestimmt wurde. Da die Stadt Werro sich auf dem Territorium von Estland befindet, heißt sie heutzutage Võru. Zur gegografischen Lage von Võru ist hinzuzufügen, dass die Stadt am Ufer des Sees Tamula und wenige Kilometer entfernt von der jeweiligen Grenze Estlands zu Russland und Lettland liegt.

Lutherische und orthodoxe Katharinenkirche

Im Jahr 1793 begann man in Werro mit dem Bau der lutherischen Katharinenkirche, der 1804 vollendet wurde. Diesen Kirchenbau bezuschusste Zarin Katharina II. mit 28.000 Silberrubel aus ihrer persönlichen Schatulle. Die lutherische Katharinenkirche, erbaut im frühklassizistischen Stil mit Elementen des Barock, wurde nach Plänen des Architekten Christoph Haberlandt errichtet. 1879 erfolgte eine umfassende Sanierung und 1913 der Einbau einer neuen Orgel.

Eine zweite Katharinenkirche, eine orthodoxe, wurde im Jahr 1806 in Werro gebaut.

Denkmal für Katharina II. im estnischen Võru

Das Jahr 1784 wird als das Gründungsdatum der heutigen Stadt Võru angesehen und Zarin Katharina II. als Stadtgründerin. Deshalb stellten die Einwohner von Võru im Jahr 2014 in ihrer Stadt ein Denkmal für Katharina II. auf, sozusagen anlässlich des 230. Stadtgeburtstages.

https://www.visitestonia.com/en/catherine-ii-sculpture-and-catherine-alley-katariina-allee

Die Bronzestatue der Zarin, angefertigt vom renommierten estnischen Bildhauer Jaak Soans, hält in der rechten Hand den Reichsapfel und in der linken – den Ukas zur Gründung der Stadt Võru.

Kurz einen Blick auf Werro bzw. Võru im 19. Jahrhundert: Im Jahr 1819 zählte man in Werro 717 Einwohner, unter ihnen 461 Deutsche.

Im 19. Jahrhundert war Werro eine europaweit anerkannte Schulstadt. Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war zum Beispiel die Krümmersche Anstalt, die ihre Schüler auf den Eintritt in die Universität vorbereitete. In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts gab es in Werro 7 Schulen, an denen 31 Pädagogen lehrten und 317 Schüler lernten.

Pädagoge aus Anhalt in Werro

Gymnasium Francisceum in Zerbst/ Anhalt

Da zahlreiche deutsche Pädagogen im 18. und 19. Jahrhundert ins Russische Reich auswanderten, findet sich neben Zarin Katharina II. noch eine zweite historische Verbindung zwischen Anhalt und Werro. Von 1862-1866 oblag die Leitung der Krümmerschen Anstalt in Werro dem Gymnasiallehrer Franz Leopold Friedrich Sintenis, geboren 1835 in Alten bei Dessau. Sintenis hatte seine Schulbildung in Dessau sowie in den Jahren 1853/54 am Gymnasium Francisceum in Zerbst erhalten. Im 1903 von Professor Glöckner herausgegebenen Verzeichnis der Primaner von 1803-1903 findet sich unter Nr. 248 der Name Franz Leopold Friedrich Sintenis mit dem Vermerk, dass dieser nach Dorpat (heute: Tartu/Estland) gegangen und Kaiserlich-Russischer Kollegien- und Staatsrat geworden sei. Im Jahr 1866 wurde laut Berichten der Rigaischen Stadtblätter die Krümmersche Anstalt aufgelöst, heißt, Sintenis war ihr letzter Direktor. Eine etwas ausführlichere Beschreibung der Vita von Sintenis ist im Zerbster Heimatkalender 2012, verfasst von Annegret Mainzer, nachzulesen.

Zerbst, 30.04.2020

 

Der Roßlauer Ingenieur Johann Siegismund Gottfried Huth in Charkov und Dorpat

Der Roßlauer Ingenieur Johann Siegismund Gottfried Huth in Charkov und Dorpat

Annegret Mainzer, Zerbst

Im Jahr 2008 wurden an der 1804 eröffneten Universität Charkov „200 Jahre Astronomie in Charkov“ begangen. Derjenige Professor, der dafür die Grundlagen gelegt hatte, war Johann Siegismund Gottfried Huth, geboren am 02. Mai 1763 in Roßlau/ Elbe, seinerzeit zugehörig zum Fürstentum Anhalt–Zerbst.

Das Studium der Theologie und Naturwissenschaften an der Universität Halle schloss er 1787 mit seiner Promotion erfolgreich ab. Nach seinem Studium lehrte Huth zunächst am Königlichen Pädagogikum Halle. In Halle war er auch Mitglied der Hallenser Naturforschenden Gesellschaft. Ebenfalls wirkte er an der Herausgabe des Allgemeinen Magazins für bürgerliche Baukunst mit.
Im Anschluss daran ging Huth an die Universität Frankfurt/ Oder, wo er als Professor für Physik und Mathematik wirkte. Im Jahr 1799 wurde Huth zum Direktor der Universität in Frankfurt/Oder gewählt. Dort richtete er auf eigene Kosten ein astronomisches Observatorium ein.
Der bekannte deutsche Dichter und Dramatiker Heinrich von Kleist (1747-1811) gehörte wohl zu den prominentesten Schülern von Huth. Huth, so Kleist, „habe ihn in die gelehrte Welt eingeführt“.

1. Universitätsgebäude Charkov

Huth in Charkov

Infolge des durch den Einfall napoleonischer Truppen bedingten Zusammenbruchs Preußens erfolgte die Schließung der Frankfurter Universität. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe vermittelte Huth an die Universität Charkov. Dort lehrte Huth bis 1811 Angewandte Mathematik, Geometrie, Mechanik, Optik und Hydraulik. Bei klarem Nachthimmel führte Huth Lehrveranstaltungen für astronomische Beobachtungen im Freien durch. Da Huth seine schon in Frankfurt/ Oder erworbenen Apparaturen mit nach Charkov gebracht hatte, richtete er dort das erste astronomische Kabinett ein, das erst 1883 in ein Observatorium umgestaltet wurde. Die astronomischen Instrumente von Huth werden noch bis zum heutigen Tage an der Universität Charkov aufbewahrt. Die Vorlesungen, die er dort zur Astronomie hielt, waren die ersten dieser Art in Charkov überhaupt. Da er seinerzeit auch in Westeuropa und in Nordamerika über seine Forschungen in Charkov publizierte, machte er auf diese Weise die Charkover Universität über ihre Landesgrenzen hinweg bekannt. Zudem hatte Huth die Schüler der umliegenden Gymnasien dazu animiert, meteorologische und astronomische Beobachtungen durchzuführen. Im Oktober 1811 wurde Huth Ehrenmitglied der Universität Charkov.

Huth in Dorpat

Universität Dorpat

Im Jahr 1811 übersiedelte Professor Huth nach Dorpat (heute: Tartu/Estland). An der dortigen Universität lehrte er als ordentlicher Professor für Angewandte Mathematik und Astronomie. Bis 1818 war Huth der 1. Direktor des Dorpater Observatoriums.

Eine Reihe von Meldungen in der Dörptschen Zeitung spiegelt Huths Leben und Tätigkeit in Dorpat wider. Es gibt Meldungen über sein Ableben im Jahr 1818, über von ihm gemachte astronomische Beobachtungen, aber auch über den vom Dorpater Universitätsgericht angeordneten Verkauf seines Hab und Guts, was darauf schließen lässt, dass Professor Huth zwar ein wissenschaftliches Genie, jedoch kein finanzielles war.

Ebenso ist der Dörptschen Zeitung vom 17.03.1812 zu entnehmen, dass Prof. Huth die Ehre zuteil wurde, anlässlich der „Feier des Allehöchsten Thronbesteigungfestes Sr. Majestät (…) …“ eine Rede zu halten, „an welcher die höhern Stände des Publikums sehr zahlreichen Antheil nahmen.“

Astronom. Station am Gropius-Gymnasium Roßlau-Dessau, Heimat von Huth


Der Roßlauer Johann Siegismund Gottfried Huth war der erste Naturwissenschaftler, der den Begriff telephon verwendete, noch lange Zeit, bevor im Jahr 1861 Philip Reis den Vorgänger des Telefonapparates vorgestellt hatte. Schon 1796 findet man den Begriff telephon im Traktat über einige akustische Instrumente des Schweizers Johann Heinrich Lambert (1728-1777), das Huth vom Französischen ins Deutsche übersetzt hatte. Seine Übersetzung hatte Huth aber auch mit eigenen Vermerken versehen. Er war Mitglied der Berliner Gesellschaft der Naturfreunde und ab 1812 Korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und der St. Petersburger Mineralogischen Gesellschaft. Allerdings schlugen seine Bemühungen, korrespondierendes Mitglied der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften zu werden, fehl.

Zu den Verdiensten von Johann Siegismund Gottfried Huth zählte auch, dass er im Zeitraum von 1804-1807 vier Kometen entdeckte und beschrieb. Sein in Frankfurt/Oder geborener Sohn Wilhelm Heinrich besuchte das Gymnasium in Dorpat.

Auszug aus Dörptscher Zeitung vom 06. März 1818:

Unsere Universität hat einen großen Verlust erlitten. Hofrath Huth, Prof. der Mathematik und insbesondere der Astronomie, ist an der Brustwassersucht gestorben. Eh es gestern wurde, nachdem die Leiche in der Kapelle schon beigesetzt war, im großen Hörsaale der Kaiserlichen Universität von dem Herrn Rector magnif. Giese und von dem Herren Prof. extraord. Struve Reden gehalten. Der vorangehenden Trauermusik folgten die Studierenden der Universität, die Herren Professoren und Universitätsbeamten im Geleite nach dem Kirchhofe zum Einsenken der Leiche in die Gruft.“

Wer an Informationen über Prof. Huth bezüglich seiner Tätigkeit in Deutschland interessiert ist, dem ist die Lektüre der Mitteilungen des Historischen Vereins zu Frankfurt/Oder 1/2018 zu empfehlen.

Quellen:
1. Erik Amburger Datenbank (online)
2.
http://www.ajaloomuuseu.ut.ee 06.01.2013
3. Philipp. K.J.: Um 1800 Architekturtheorien und Architekturkritik in Deutschland zwischen 1790- 1810,
Stuttgart, London, 1997, S. 222;
4. Recke, J. F. v., Napiersky, H.E., Beise, Th.: Allgemeines Schriftsteller-
und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland, Kurland, B.2, Mitau, 1829, S. 369 ff.
5. Вечерний Харковь v. 25.02.2011
6. Schulze, G.: Kleist- eine Biographie,München, 2007, S. 200
7. Kucilova, N.N., Popova, L.N.: История кафедры теоритической механики dspace.univer.kharkov.ua
12.01.2013
8. Beckh,J.: Blitz & Anker, Bd.1, Informationstechnik, Geschichte & Hintergründe, Norderstedt, 2005
9. Ullmann, D.: Chladni und die Entwicklung der Akustik von 1750- 1860, Basel, Boston, Berlin
10. Hartkopf: Die Berliner Akademie der Wissenschaften: Ihre Mitglieder und Preisträger 1700- 1990,1992,
11. Schüler-Album des Dorpatschen Gymnasiums von 1804- 1879, Dorpat, 1879, S. 22

12. Dörptsche Zeitung 1811-1818

Zerbst, den 13.05.2018

Professor Hermann Schmalz aus dem heutigen Zerbst/ Anhalt lehrte im einstigen Dorpat

Professor Hermann Schmalz aus dem heutigen Zerbst/ Anhalt lehrte im einstigen Dorpat

Hermann Schmalz, geboren 1807 in Bonitz bei Zerbst in Anhalt hatte in Königsberg (heute: Kaliningrad/ Russland) studiert, wo er nachweislich des 1829 gegründeten Corps Littuania Königsberg, einer Burschenschaftsvereinigung, angehörte.

Herrmann Schmalz hatte das Gut Kassen bei Pillkallen (heute: Dobrowolsk/ Russland)) im damaligen Regierungsbezirk Gumbinnen (heute: Gussew/ Russland) geerbt.

Er lehrte von 1834- 37 an der Universität Dorpat (heute: Tartu/ Estland) Landwirtschaftslehre, befasste sich neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit auch mit journalistischen und schriftstellerischen Arbeiten. So erschien 1837 in Dorpat seine Schrift Die Zuckerfabrication aus Runkelrüben in besonderer Erwägung für Russland als Einladungsschrift zur Stiftungsfeier der Landwirtschaftlichen Lehranstalt zu Altkusthof, an der Schmalz lehrte und den Posten des Inspektors bekleidete.

Universitätsgebäude_-_Louis_Höflinger,_1860

Hermann Schmalz betätigte sich ebenfalls politisch. Er war Landrat des Kreises Pillkallen in Ostpreußen. Zudem war Hermann Schmalz von 1867- 1870 Mitglied des Norddeutschen Reichstages und bis 1879 Mitglied des Deutschen Reichstages. Dabei vertrat er den von 1808- 1945 existierenden ostpreußischen Wahlkreis Regierungsbezirk Gumbinnen 2. Heutzutage gehört der größte Teil dieses ehemaligen Wahlkreises zum heutigen Kalinigrader Gebiet (Russland) und der südliche Teil zur heutigen polnischen Wojewodschaft Ermland-Masuren. Einzug in den Deutschen Reichstag hielt Hermann Schmalz mit 62,17 % der Wählerstimmen und vertrat stets die Konservativen.

Nach seinem Tode im Jahre 1879 übernahm der Rittergutsbesitzer Albert von Sperber (1836- 1889) das Abgeordnetenmandat.

Das Interesse von Hermann Schmalz an journalistischer Tätigkeit äußerte sich in seiner Mitarbeit an der Herausgabe einer kulturell geprägten Zeitschrift Der Refraktor. Ein Centralblatt Deutschen Lebens in Russland. In der ersten Ausgabe, die am 2 Mai des Jahres 1836 erschien, wandte sich Schmalz in seinem Leitartikel An das Publikum und legte auf Seite 3 die Idee seines Blattes wie folgt dar:

Keine Anarchie, keine Gesetzlosigkeit wird der Refraktor sich zu Schulden kommen lassen. Die drei Kepplerschen Regeln des Universums, die Regeln der Wahrheit, des Rechtes und des Schönen werden ihm immer heilig sein (…) nie zum Persönlichen hinabsteigen, nie Partei nehmen, verletzen oder kränken, sondern überall will er aufbauen (…) anregen und erhalten …“

An dieser Zeitschrift arbeitete Schmalz gemeinsam mit dem deutsch- baltischen Dichter Carl Friedrich von der Borg (1794- 1848), der als Jurist und Kanzleidirektor der Universität Dorpat seinen Lebensunterhalt bestritt, aber auch russische Literatur übersetzte.

Ab 1846 war Hermann Schmalz Herausgeber der 1727 gegründeten St. Petersburger Zeitung. Dort führte Schmalz  während seiner Amtszeit das ständige Feuilleton ein.

Verwendete Literatur und Quellen

Eichhorn, C.: Die Geschichte der „St. Petersburger Zeitung“ 1727- 1902, St. Petersburg, 1902

erb.nlib.ee 26.08.2013

www.reichstag-abgeordnetendatenbank.de 26.08.2013

www.utlib.ee 26.08.2013

 

Handwerker und Unternehmer aus Anhalt im Zarenreich

Handwerker und Unternehmer aus Anhalt im Zarenreich

Seit eh und je steht deutsche Handwerksarbeit in aller Welt hoch im Kurs und gilt als Garant für eine hohe Qualität der Produkte. Im Ausland assoziiert man den Begriff des deutschen Handwerks mit Attributen wie Fleiß, Zuverlässigkeit und Solidität.
Solides Handwerk wussten bereits Zar Peter I. und Zarin Katharina II. zu schätzen und holten deshalb niederländische und vor allem deutsche Handwerker ins Russische Reich. Schon 1790 hatten sich in St. Petersburg 210 Schneider, 77 Bäcker, 59 Sattler, 13 Dreher, 17 Uhrmacher und 19 Schornsteinfeger deutscher Herkunft niedergelassen. Im Jahr 1868 waren 25 % aller Petersburger Bäcker deutschsprachig.
Unter ihnen war auch der 1799 in Bernburg geborene Bäckermeister Johann Andreas Erfurt, der ab 1856 sogar Hofbäcker war.

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                             Innungszeichen der Bäcker, die bis heute noch in Zerbst/ Anhalt erhalten

Nicht nur in urbanen Zentren wie St. Petersburg und Moskau waren deutsche Handwerker ansässig, auch in großer Anzahl im Baltikum. So habe ich mich entschlossen, der Frage nachzugehen, welche Handwerker und Unternehmer aus Anhalt im Zarenreich tätig waren.

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Anhaltisch- russische Schnittpunkte durch Katharina II. in Bogorodizk wiederbelebt

Anhaltisch- russische Schnittpunkte durch Katharina II. in Bogorodizk wiederbelebt

Bogorodizk ist eine zirka 32 000 Einwohner zählende russische Kleinstadt, gelegen etwa 65 km südöstlich von Tula, wo die bekannten russischen Samoware hergestellt werden.
Wodurch erregte die Stadt Bogorodizk meine Aufmerksamkeit? Dadurch, dass im Juni 2015 in den russischen Medien zu lesen war, dass die dortigen politischen Entscheidungsträger in Sachen Kultur und Tourismus beschlossen, die Schloss- und Parkanlage Bogorodizk, die auch Tulaer Peterhof genannt wird, zu restaurieren. Dafür stellen die russische Regierung und das Gouvernement Tula insgesamt 65 Millionen Rubel (zurzeit zirka 830 000 Euro) zur Verfügung.
Im Zuge der geplanten Restaurierungsmaßnahmen soll nicht nur Verlorengegangenes wieder hergestellt, sondern auch ein Denkmal für die aus dem einstigen Fürstentum Anhalt- Zerbst stammende Zarin Katharina II. errichtet werden. Die offizielle Grundsteinlegung für das Denkmal erfolgte bereits Anfang des Sommers im Beisein lokaler Politprominenz.

Warum ein Denkmal für Katharina II. in Bogorodizk, in einem Ort, der 1663 von Zar Alexei Michailowitsch (1629- 1679), dem Vater von Zar Peter dem Großen, als Grenzbefestigung zum Schutz gegen Überfälle seitens der Krimtataren gegründet worden war?
Der Ort Bogorodizk ist eng mit der Geschichte der Grafen Bobrinski verknüpft. Als Begründer dieser Dynastie gilt Graf Alexei Grigorjewitsch Bobrinski (1762- 1813), der jüngste Sohn von Zarin Katharina II, geborene Prinzessin von Anhalt- Zerbst.

Porträt Graf Alexei Bobrinski von C.L.J.Christineck
Porträt Graf Alexei Bobrinski von C.L.J.Christineck (1732- 1792), ca. 1770

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Das Wirken der aus dem Magdeburgischen stammenden Familie Knorre im Russischen Reich

Das Wirken der aus dem Magdeburgischen stammenden Familie Knorre im Russischen Reich

Blick auf die Türme des Domes in Magdeburg
Blick auf die Türme des Domes in Magdeburg

Der deutschstämmige Ingenieur Eugen Karlowitsch Knorre, 1848 in Nikolajew bei Odessa geboren, erarbeitete den Plan für die Moskauer Wasserleitungen. Außerdem hatte er der Moskauer Stadtverwaltung Pläne für die Metro vorgelegt, die seinerzeit jedoch nicht realisiert wurden.

Eugen Karlowitsch Knorres familiäre Wurzeln liegen im heutigen Sachsen-Anhalt. Er war der Enkel des 1759 in Neuhaldensleben bei Magdeburg geborenen Ernst Christoph Friedrich Knorre, der im Alter von 30 Jahren nach Dorpat (heute: Tartu/Estland) ging.

An der dortigen Höheren Töchterschule wirkte Ernst Christoph Friedrich Knorre ab 1789 als Direktor und ab 1802 als außerordentlicher Professor für Mathematik und Observator der damaligen provisorischen Sternwarte an der Universität Dorpat. Außerdem war er von 1789-1810 als Organist an St. Johannis in Dorpat. Verheiratet war er in erster Ehe mit Carolina Friederike Senff, 1765 in Leuna geboren, und in zweiter Ehe mit Carolina Henriette Sophie Senff, 1771 ebenfalls in Leuna geboren. Beide waren Schwestern des 1770 in Kreypau bei Merseburg geborenen und seinerzeit namhaften Künstlers Karl August Senff, der an der 1809 eingerichteten Zeichenschule der Universität in Dorpat lehrte, wo er 1838 verstarb. Ernst Christoph Friedrich Knorre hatte seinen Schwager stets finanziell unterstützt.

Knorres erste Frau starb 1791 nachdem sie ihm einen Sohn geboren hatte, der nicht lebensfähig war. Seiner zweiten Ehe entstammen vier Kinder, von denen drei überlebten.

Knorres 1799 in Dorpat geborener Sohn Karl Theodor Adolph schlug die medizinische Laufbahn ein und hatte von 1816-1821 Medizin an der Universität seiner Geburtsstadt studiert. Von 1823-1873 praktizierte er als Stadtphysikus in Pernau (heute: Pärnu/Estland). In den Rigaischen Stadtblättern vom 05.06.1822 wird angezeigt, dass er den Titel Doktor der Medizin erlangt hat. Er starb 1873 in Pernau. Sein 1827 in Pernau geborener Sohn Adolph Friedrich hatte von 1846-1851 Medizin an der Dorpater Universität studiert und war von 1858-1874 Ordinator am AlexanderHospital in Saratow und von 1875-1880 Landarzt im Gouvernement Saratow. Er starb 1893 in Saratow. Dessen Sohn Nikolai (*1862) wiederum trat beruflich in die Fußstapfen seines Vaters und wurde ebenfalls Landarzt im Gouvernement Saratow.

Ernst Leopold, der 1839 in Pernau geborene Bruder von Adolph Friedrich, studierte Klavier zuerst bei Theodor Stein (1819- 1893), der auch am St. Petersburger Konservatorium lehrte, später setzte Ernst Leopold Knorre seine Studien in Brüssel und Paris fort. Schlussendlich ließ er sich in Dorpat nieder, wo er als Klavierlehrer arbeitete. Dabei assistierte ihm seine Tochter Helene (*1865), die vorwiegend die Anfänger unterrichtete. Ernst Leopold starb 1928 in Dorpat, wie in der Rigaer Rundschau angezeigt.

Der zweite Sohn von Ernst Christoph Friedrich Knorre – Karl Friedrich – 1801 in Dorpat geboren, hatte von 1816-1821 Theologie und gleichzeitig Mathematik an der Dorpater Universität studiert.

Karl Friedrich Knorre

Karl Friedrich Knorre

Jedoch zeigte er großes Interesse für Astronomie. So half er bereits als Student bei topografischen Aufnahmen und Messungen sowie bei nächtlichen Beobachtungen. Dabei assistierte er dem Astronomen Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793-1864), der Karl Friedrich in die Geheimnisse der praktischen Astronomie einwies. Auf Empfehlung und Vermittlung Struves kam Karl Friedrich im Jahr 1823 an die Sternwarte nach Nikolajew (heute: Mykolajiw/Ukraine), 100 km von Odessa entfernt. Somit wurde er der erste Astronom der Schwarzmeerflotte und lehrte gleichzeitig an der dortigen Steuermannsschule. Für den vielfachen Vater war ein gutes Einkommen immens wichtig, denn seinen drei Ehen entstammen zwölf Kinder: Fedor (*1831), Klara Karolina (*1834), Alexander (*1836), Wladimir (*1838), Viktor (*1840), Pawel (*1842), Karl (*1845), Amalie Sophie Karolina (*1847), Eugen (*1848), Sophie Jeanette (*1850), Olga Karolina (*1851) und Jegor (*1859). In anderen Quellen ist noch von den Söhnen Anton und Konstantin die Rede. Und alle waren zu ernähren und vor allem den Söhnen musste eine gute Ausbildung geboten werden.

Zum Verdienst von Karl Friedrich ist zu bemerken, dass er als Observator und Direktor der Sternwarte Nikolajew ein Jahresgehalt von 3000 Rubel bezog. Dazu kam noch das Salär für seine Lehrtätigkeit an der Steuermannsschule, das sich zum Beispiel im Jahr 1865 auf 2400 Rubel belief.

1828 wurde Karl Friedrich korrespondierendes Mitglied des Akademie der Wissenschaften St. Petersburg und im Jahr darauf mit dem Orden des Hl. Wladimir 4. Stufe geehrt. 1870, nach 50 Dienstjahren in Nikolajew, reichte er seinen Abschied ein. So bekam er den Orden der Hl. Anna 1. Stufe, wurde zum Geheimrat ernannt und in den Erbadel aufgenommen. Zu seinen beruflichen Verdiensten zählt die Anfertigung des Blattes Hora IV der Berliner Akademischen Sternenkarten. Zum anderen optimierte er den Sextanten.

Sein Sohn Viktor Karlowitsch, 1840 in Nikolaejew geboren und Bruder des eingangs erwähnten Eugen Karlovič, setzte die Familientradition fort und studierte ab 1862 Astronomie in Berlin bei Wilhelm Foerster (1832-1921). Fünf Jahre später begann er an der Sternwarte Pulkowo zu arbeiten. 1873 nahm der die Stelle als Observator an der Sternwarte in Berlin an. 1892 wurde er Professor für Astronomie. Zu seinen Leistungen gehört die Entdeckung des Asteroiden Coronis im Jahr 1876 und die Entdeckung dreier weiterer kleinerer Planeten zu seinen Leistungen. Des Weiteren machte er als genialer Schachspieler seinerzeit von sich reden. Viktor Knorre verstarb im Jahr 1919 bei Berlin. Die NASA benannte zu Ehren der drei Astronomengenerationen Knorre einen Asteroiden KNORRE.

Pawel Karlowitsch (*1842), Bruder von Viktor, war ausgebildeter Land- und Forstwirt und im Gouvernement Pensa ansässig. In Hinblick auf die Familienplanung eiferte er seinem Vater Karl Friedrich nach, denn er hatte vierzehn Kinder zu versorgen: Alexei (*1875), Helena (*1877), Anna (*1878), Maria (*1876), Woldemar (*1879), Katharina (*1881), Alica Anna (*1884), Olga Anna (1885), Pawel (*1887), Wera Antonina (*1888), Adele Felicita (*1890), Irene (*1896), Walentina (*1897) und Eugen (*1902). Pawel von Knorre starb im Jahr 1906.

Sein Bruder Eugen Karlowitsch (*1848), ausgebildeter Ingenieur-Mechaniker, besaß im Gouvernement Pensa 4093,5 Desjatinen Waldfläche sowie ein Sägewerk in Adamowka.

Fedor Karlowitsch (*1831), der älteste Sohn von Karl Friedrich, war Architekt, der unter anderem ab 1855 seinen Dienst beim Bau- und Straßenamt in Kiew versah. Außerdem projektierte er den Bau von Eisenbahnstrecken und Brücken und war auch im Gouvernement Stawropol tätig. Sein Sohn Fedor Fedorowitsch (*1862) wiederum war Bauingenieur und machte sich einen Namen beim Brückenbau in Sibirien und St. Petersburg. Sein Bruder Eugen Fedorowitsch (*1870) machte in Moskau Karriere als Violinist. Seine ältere Schwester Adele Fedorowna, (1867-1951) hatte am St. Petersburger Konservatorium Klavier und Operngesang studiert. Sie lehrte an den Musikschule in Nikolaejew und Libau (heute: Liepãja/Lettland). Ihre 1912 in Libau geborene Tochter Lydia, die sich nach Frankreich verheiratet hatte, studierte Musik und gab Privatunterricht am Konservatorium in Toulouse.

Karl Theodor, der 1806 in Dorpat geborene Sohn von Ernst Christoph Friedrich Knorre, hatte nach dem Abitur am dortigen Gymnasium von 1823-1827 an der Dorpater Universität Theologie studiert. Nach einer gewissen Zeit als Hauslehrer bekam er 1837 die Stelle als wissenschaftlicher Lehrer an der Höheren Kreisschule in Pernau tätig. Er gehörte auch der studentischen Verbindung Dorpati Livonorum an. Er verstarb im Jahr 1846 in Pernau. In der Zeitschrift Das Inland. Eine Wochenschrift für Liv, Esth- und Curlands Geschichte, Geographie, Statistik und Literatur vom 17.09.1846 findet sein Ableben im Nekrolog Erwähnung und sein Wirken wie folgt eine Würdigung: „Seine gründliche Gelehrtenbildung, sein milder christlicher Sinn und seine liebreiche offene Theilnahme gegen Alle, mit denen er in Verbindung stand, ließen ihn für Schule und Leben gleich segensreich und wohlthuend wirken. Sein Andenken wird im Herzen aller, die ihn kannten, unvergänglich sein.“. Auch im Pernauschen Wochenblatt vom 07.09.1846 wird sein Tod angezeigt.

Friedrich Karl David, der Halbbruder von Ernst Christoph Friedrich Knorre, 1762 ebenfalls in Neuhaldensleben bei Magdeburg geboren, hatte ab 1778 Theologie in Halle studiert und ab 1786 mitgewirkt, die Höhere Töchterschule in Dorpat einzurichten und an selbiger die Stelle des Organisten eingenommen. 1789 ging er als Prediger an die deutsche Gemeinde St. Johannes nach Narwa (heute: Narva/Estland). Hier befasste er sich auch mit der heimischen Flora. Er starb1805 in Narwa. Sein Ableben ist im Neuen Allgemeinen Intelligenzblatt für Literatur und Kunst vom 01.06.1805 angezeigt: „Am 4. April starb zu Narva der Präses Consistorii und erste Prediger bey der deutschen luther. Gemeinde , Johann Friedrich David Knorre.“.

Sein in Narwa geborener Sohn Friedrich Karl (1797-1846), der das Gymnasium in Dorpat besucht und an der dortigen Universität von 1814-1817 Theologie studiert hatte, wirkte später als Lehrer an den Gymnasien in Riga und Odessa.In den Rigaischen Stadtblättern vom12.01.1826 ist seine Anstellung als wissenschaftlicher Lehrer an der 2. Kreisschule in Riga angezeigt.

aktualisiert, Zerbst 12.05.2020

Verwendete Literatur und Quellen:

1. Album Dorpati Livonorum mit Vorwort v. A. Ammon, Dorpat, 1890.

2. Erik Amburger Datenbank (online).

3. Schüler- Album des Dorpatschen Gymnasiums von 1804-1879, Dorpat,1879.

4. Hasselblatt, A., Otto, G.: Album Academicum der Kaiserlichen Universität Dorpat,Dorpat,1889.

5. Baltisches Biographisches Lexikon digital.

6. Šišlov, S.: Dvorjane Knorre v XIX-načale XX veka in: Penzenskij vremennik ljubitelej stariny, Nr.4,1992, S.6-10.

7. Pingin, G.I.: Legendarhye imena. Pervyj astronom Černomorskogo flota Karl Christoforovič fon Knorre, Nikolajew, 2013.

8. http://www.karl-knorre.name/Pages%20DE/Familienchronik.html [letzter Zugriff 12.05.2020].

9. http://www.geni.com/people/Ernst-Christoph-Friederich-von-Knorre/4626772356160128754 [letzter Zugriff 12.05.2020]

 

 

Leipziger Ärzte und Apotheker in St. Petersburg und Astrachan

Leipziger Ärzte und Apotheker in St. Petersburg und Astrachan 

Blick auf Leipzig
Blick auf Leipzig

Leibarzt bei Zar Alexander I. war ab 1810 der aus Leipzig stammende Arzt und Anthropologe Conrad Joseph Kilian (1771- 1811), von dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche medizinische Publikationen erschienen waren. Zuvor hatte Kilian bis 1795 als Geistlicher in Würzburg gewirkt, von 1801- 1803 als Arzt in Jena praktiziert und vor seiner Abreise nach Petersburg hatte er eine Professur für Medizin in Bamberg innegehabt.
Sein im Jahr 1800 in Leipzig geborener Sohn Hermann Friedrich hatte von 1810- 1816 die Petersburger Petrischule besucht. Seinem Medizinstudium ging er an den Universitäten Wilna, Leipzig, Würzburg, Göttingen und in England nach. In Paris sammelte er praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Geburtshilfe.
Im Jahr 1821 wurde er Professor- Adjunkt für Chemie an der Petersburger Medizinischen Akademie, wo er auch die Fächer Physiologie und Pathologie lehrte. Parallel dazu nahm er eine Arztstelle am Petersburger Militärhospital an. 1826 folgte er dem Ruf an die Klinik für Geburtshilfe nach Bonn, zuvor allerdings hatte er eine Bildungsreise durch Frankreich und Deutschland unternommen. Er verstarb 1863 im thüringischen Bad Liebenstein.

Der 1801 in Leipzig geborene Karl Ludwig Herrmann hatte an der Alma mater seiner Vaterstadt Medizin studiert und danach in Dresden praktiziert. Auf Einladung der Fürstenfamilie Golyzin ging 1836 nach Petersburg, wo man sein Wissen um die Homöopathie vor allem in solch angesehenen Familie wie Golyzin, Ostermann- Tolstoi und Mordvinov zu schätzen wusste. Herrmann initiierte die erste Anwendung homöopathischer Heilverfahren in den Heilanstalten Russlands. Seine Erfolge bei seinen Privatpatienten sprachen für sich. Unter diesen Patienten war auch der bekannte russische Komponist M. I. Glinka, der über Herrmann´s Praxis folgende Worte niederschrieb: „ Der zu jener Zeit bedeutende Herrmann konnte mir sehr helfen, ungefähr zwei Jahre befolgte ich die mir von ihm verschriebene Diät und seine homöopathischen Methoden konnten mich heilen.“
Herrmann gelang es mit dem Großfürsten Michail Pavlovič einen Vertrag darüber abzuschließen, der ihm gestattete, im Militärhospital in Tulšin vergleichende Untersuchungen zur Effektivität der Anwendung homöopathischer und schulmedizinischer Methoden durchzuführen. Zwar brachten die Untersuchungen nicht unbedingt den gewünschten Erfolg, doch Herrmann´s Erkenntnisse gaben der Entwicklung der Homöopathie in Russland weiterführende Impulse. Karl Ludwig Herrmann wurde Direktor der homöopathischen Heilanstalt von St. Petersburg, wo er auch 1836 verstarb. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit widmete er sich auch der Dichtkunst und Übersetzungen.

Der Apotheker Karl Iwanowitsch Osse, Sohn eines Bronzemeisters, wurde 1804 in Leipzig geboren. Er hatte das Gouvernement- Gymnasium in Petersburg und die Universität Dorpat besucht, wo er 1829 sein Provisorexamen ablegte. Einige Zeit später ging Osse nach Astrachan, wo er seine Apothekerprüfung bestand. Schon mehr als ein Jahrhundert vor der Ankunft von Osse in Astrachan war die dortige deutsche Gemeinde schon 100 Mitglieder stark.
In der Dienstliste der beruflichen Laufbahn des Kollegienrats Karl Ivanovič Osse, die am 12. September 1868 erstellt wurde, ist verzeichnet, dass Osse in Astrachan ein Steinhaus besaß. Des Weiteren gibt die Dienstliste Auskunft darüber, dass Osse 1835 in Astrachan aktiv mithalf, die Cholera zu bekämpfen, wofür ihm mit einer goldenen Uhr gedankt wurde.
Im darauffolgenden Jahr bekam er eine Anstellung als Apotheker in der Apotheke bei den Einrichtungen des Astrachaner Amts für allgemeine Fürsorge.
Über Osse wurde einhellig berichtet, dass er seine Kunden, d.h. die Krankenhäuser Astrachans und der Umgebung stets mit ausreichend Medikamenten versorgte und großzügig Rabatte gewährte. Aufgrund seiner beruflichen Kompetenz, seiner Bemühungen um das Allgemeinwohl seiner Mitmenschen wurden ihm weitere, teilweise auch ehrenamtliche Ämter angetragen. 1837 wurde er Direktor der Astrachaner Gefängnisfürsorge und 1849 Direktor des Alexandrinischen Waisenhauses. Im Jahr 1870 wurde Osse russischer Untertan. Sein in Astrachan geborener Sohn Ernst Peter Bernhard (1846- 1903), der die St. Annenschule und die Wiedemannsche Schule sowie das Gouvernement- Gymnasium in Reval besucht und der eine juristische und kaufmännische Ausbildung an der Universität in Dorpat absolviert hatte, erbte die Ämter seines Vaters. Doch 1891 verließ er seine Geburtsstadt. Astrachan und zog nach Reval, wo er zwei Jahre später eine Papierfabrik erwarb. Später arbeitete er bei der Wolga- Dampfschifffahrt. .
Sein Bruder Otto (1848- 1874) hatte Pharmazie studiert. Peter (1851- 1925), der jüngste der Söhne von Karl Osse, erhielt seine Ausbildung in Reval und Dorpat. Er lehrte an verschiedenen Bildungseinrichtungen in Fellin und Dorpat, wo er letztendlich Direktor der städtischen Realschule wurde. Karl Osses 1874 in Astrachan geborener Enkel Karl Gottfried hatte zunächst in Dorpat die Zeddelmannsche Privat- Lehranstalt besucht und an der dortigen Universität Pharmazie studiert. Später übernahm er die Apotheke seines Großvaters und führte diese bis zum für Russland folgenschweren Jahr 1918, in dem er auch verstarb.

Verwendete Literatur und Quellen:
1. Kahle, E.: Kilian, Hermann Friedrich, in: NDB, 11 (1977)
2. Marré, B.: Bücher für Mütter als pädagogische Literaturgattung und ihre Aussagen über Erziehung
(1762-1851): ein Beitrag zur Geschichte der Familienerziehung, Weinheim, 1986
3. Wiesing, U.: Kunst oder Wissenschaft? Konzeptionen der Medizin in der deutschen Romantik, Frommann
-Holzboog, 1995
4. http://www.deutsche-biographie.de/pnd116171388.html v. 07.03.2013
5. http://www.slavistik.uni-potsdam.de/petersburg/herrmann.html 27.09.2013
6. zaozernov.ru 27.09.2013
7. Bauer, W.: Karl I. Osse. Ein deutscher Apotheker im zaristischen Russland, Stuttgart, 2003
8. Zeddelmann, R.v.: Die Zeddelmannsche Privat- Lehranstalt 1875 – 1900, Lehrer- und Schüleralbum, Jurjew
(Dorpat), 1900
9. BBLd (online)

Carl G. A. Eckers: Jüterborg- Zerbst- Wittenberg- Berlin- Mitau- Dorpat- Goldingen- Riga

Carl G. A. Eckers: Jüterborg- Zerbst- Wittenberg- Berlin- Mitau- Dorpat- Goldingen- Riga

Annegret Mainzer, Zerbst

Gymnasium Francisceum in Zerbst/ Anhalt

Carl Gustav Alexander Eckers, 1811 im Kloster Zinna bei Jüterbog geboren, hatte das Gymnasium in Zerbst besucht und Theologie in Wittenberg sowie Philosophie bei Hegel in Berlin studiert, bevor er 1836 nach Mitau ging, um dort als Hauslehrer zu arbeiten.

Schlosskirche mit Luther- Thesen in Wittenberg

1839 war er wissenschaftlicher Lehrer an der Kreisschule in Goldingen. Von 1841 bis 1864 lehrte er die deutsche Sprache und Literatur am Gouvernements Gymnasium in Riga. In den Rigaischen Stadtblättern vom 09.07.1841findet Eckers als „Oberlehrer am Rigaschen Gymnasium“ Erwähnung.

Außerdem war Eckers Mitbegründer des Naturforschervereins zu Riga. Eckers hielt unter anderem Vorlesungen für das interessierte Rigaer Publikum. So wird in den Rigaischen Stadtblättern vom 24.02.1843 zu „Vorlesungen für das gebildete Publikum“ in die St. Johannis-Gildestube eingeladen. Dort hielt am 02. 03.1843 Eckers eine Vorlesung zum Thema Die Hauptmomente der Entwicklung der Dichtung von Klopstock bis Göthe. Die Rigaischen Stadtblätter vom 28.06.1844 vermelden, dass Eckers anlässlich Entlassungsfeier der Abiturienten des Rigaer Gymnasiums einen wissenschaftlichen Vortrag zum Thema Ueber das, was gegenwärtig der poetischen National-Literatur der Deutschen Noth thut.

Am 07.06.1845 vermelden die Rigaischen Stadtblätter: „Der Ober-Lehrer des hiesigen Gymnasiums Eckers ist in dem Range eines Titulair-Raths bestätigt worden.“. Eine weitere Beförderung vermeldet das Blatt am 31.07.1847: „Nach Ausdienung der gesetzlichen Jahre ist vom Titulair-Rath zum Collegien-assessor befördert: der ältere Lehrer am hiesigen Gymnasium Eckers.“.

Sein 25-jähriges Berufsleben am Rigaer Gouvernements-Gymnasium ist in den Rigaischen Stadtblättern vom 12.112.1864 erwähnt: „Am Sonntag, den 8 November, beging Herr Collgien-Rath G. Eckers Oberlehrer der deutschen Sprache und Literatur am hiesigen Gouv.-Gymnasium, das Fest seiner 25jährigen amtlichen Wirksamkeit an der genannten Anstalt. Schon am Abend vorher hatten ihm die Schüler des Gymnasiums mit einem Ständchen beim Scheine farbiger Laternen überrascht.“. Seine Entlassung zum 31. 12.1864 ist in den Rigaischen Stadtblättern vom 04.02.1865 bekannt gegeben.

Eckers muss sich neben seiner Lehrtätigkeit auch für den Tierschutz eingesetzt haben, denn den Rigaischen Stadtblättern vom 25.09.1869 ist zu entnehmen, dass er Präsident des Rigar Tierschutzvereins war: „Vom 2. bis 5. August d. J. ist zu Zürich ein internationaler Thierschutz-Congreß abgehalten worden, auf dem auch der Rigaer Thierschutz-Verein durch seinen Präsidenten, den dim. Oberlehrer des Gouv.-Gymnasiums, Hrn. Collegien-Rath Eckers vertreten war.“.

In den Rigaischen Stadtblättern vom 02.06.1843 ist die Heirat des „Oberlehrer am Rigaischen Gymnasio Karl Gustav Alexander Eckers mit Elisabeth Wilhelmine Kruhseangezeigt. Ihre 1846 in Riga geborene Tochter Olga (†1890) war mit dem aus Riga stammenden Chemiker Carl Nikolai Seuberlich (1847-1924) verheiratet.

Eckers verstarb 1889 in Riga, wie in der Libauer Zeitung vom 28.08.1889 und in der Düna-Zeitung vom 14.08.1889 sowie in den Rigaischen Stadtblättern vom 17.08.1889 angezeigt.

Verwendete Literatur:
1. Beiträge zur Geschichte der Esthländischen Ritter- und Domschule:Einladungsschrift zu der 550jährigen
Jubelfeier der Domschule zu Reval am 19. und 20. Juni1869, Reval, 1869; S. 912. Zur Geschichte des Gouvernements- Gymnasiums in Riga, Riga,1888; S. 7
3. Woldemar, C.: Zur Geschichte und Statistik der Gelehrten- und Schulanstalten des Kaiserlich Russischen
Ministeriums der Volksaufklärung, St. Petersburg, 1865; S. 136
4. Baltisches Biographisches Lexikon digital
5. Gottzmann, C.L., Hörner, P.: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburg, Berlin,
2007; S. 387
6. BBLd [letzter Zugriff 10.04.2020]

7. Erik Amburger Datenbank online [letzter Zugriff 10.04.2020]

Gemälde vom Dresdner Maler Paul Carl Sigismund Walther in Gotteshäusern im Baltikum

Gemälde vom Dresdner Maler Paul Carl Sigismund Walther in Gotteshäusern im Baltikum

 

Blick auf Dresdner Kunstakademie mit Semper- Denkmal
Blick auf Dresdner Kunstakademie mit Semper- Denkmal

Im Jahr 1783 erblickte der Künstler Paul Carl Sigismund Walther, Sohn eines Seilermeisters, in Dresden das Licht der Welt. Seine künstlerische Ausbildung erhielt der an der Kunstakademie seiner Heimatstadt. Im Jahr 1809 ging er als Zeichenlehrer für die Kinder von August von Kotzebue nach Estland. Von 1815- 1850 arbeitete er als Lehrer, u.a. als Zeichenlehrer an der Ritter- und Domschule in Reval. Walther ließ sich 1850 pensionieren und verstarb 1866 in Rappel (heute: Raplamaa/ Estland). Von seinen künstlerischen Schaffen zeugten Altargemälde in den Kirchen von Reval und Arensburg. 1865 fertigte der das Altargemälde Christus am Kreuz in der St. Johannis- Kirche im Dorf Goldenbeck (heute: Kullamaa/ Estland). Auch schuf er das Altargemälde in der St. Simon und Judas Kirche im Dorf Sankt Simonis (heute: Simuna/ Estland), in dessen Nähe sich das Denkmal für den seinerzeit namhaften Astronomen Friedrich Georg Wilhelm Struve (1793- 1864), 1832 zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften St. Petersburg berufen, befindet, unter dessen führender Mitwirkung eine Vermessung des Erdballs erfolgte. Eine der Messstationen war das heutige estnische Simuna.

Carl Friedrich Sigismund Walther, Sohn Paul Carl Sigismund, 1824 in Reval geboren, hatte von 1845- 1849 Theologie an der Universität Dorpat studiert und war von 1850 bis zu seinem Tode im Jahr 1870 Prediger an St. Jacobi bei Wesenberg (heute: Rakvere/ Estland). Ferdinand Carl Sigismund (1857- 1920), Enkel von Paul Carl Sigismund, ebenfalls Absolvent der Universität Dorpat, wirkte ab 1920 als Geistlicher in Deutschland, vor allem in der Niederlausitz.

Verwendete Literatur und Quellen:
1. http://www.ancientfaces.com 17.05.2013
2. Baltisches Biographisches Lexikon digital
3. http://www.kullamaa.ee/?go=turism 21.03.2015
4. http://www.puhkaeestis.ee/et/simuna-kirik 21.03.2015
5. Album Estonorum zusammengestellt von Axel von Gernet, Reval, 1890
6. Kirchner, J. (Hg.): Album der Esthländischen Ritter- und Domschule zu Reval vom 2. März 1834- 2.März 1859,
Reval, 1859
7. Beiträge zur Geschichte der Esthländischen Ritter- und Domschule. Einladungsschrift zu der 550jährigen Jubelfeier
der Domschule zu Reval am 19. und 20. Juni 1869, Reval, 1869
8. Hasselblatt, A., Otto, G.: Album Academicum der Kaiserlichen Universität Dorpat, Dorpat, 1889
9. Neumann, W.: Lexikon baltischer Künstler, Riga. 1908
10. Das Inland. Eine Wochenschrift für liv-, esth- und curländische Geschichte, Geographie, Statistik und Litteratur
Nr.28 vom 08.Juli 1836
11. http://www.geni.com/people/Carl-Sigismund-Walther/6000000010510435603 22.03.2015
12. http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Georg_Wilhelm_Struve 29.03.2015

 

Die Deutschen, die Russen, die deutsche Sprache und Russland

Die Deutschen, die Russen, die deutsche Sprache und Russland

Sprachenzentrum der Otto - von - Guericke Universität Magdeburg
Sprachenzentrum der Otto – von – Guericke Universität Magdeburg

Spricht man von den engen Beziehungen zwischen Deutschen und Russen, so denkt man an Zar Peter I.(1672- 1725), der deutsche und niederländische Fachleute ins Russische Reich holte, um sein Land an die wirtschaftlichen, technischen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklungen Westeuropas anzupassen. Im gleichen Atemzug wird die aus dem Fürstentum Anhalt – Zerbst stammende Zarin Katharina II. (1729- 1796) genannt, denn kurze Zeit nach ihrer Thronbesteigung erließ sie ein Manifest, dass die Menschen in Westeuropa dazu aufforderte, sich im Russischen Reich niederzulassen. Vor allem auf ihre deutschen Landsleute hoffend, wollte die Zarin Russland europäisieren, dabei die von Russland eroberten, jedoch bis dato unwirtlichen Gebiete im Süden des Landes bewirtschaften, urbanisieren und nach außen absichern lassen. Weiterlesen